Die unglaubliche Geschichte eines Pakets

Freitag, 3. Februar 2017

Am 10. Januar geht von Deutschland aus ein korrekt adressiertes Paket zu uns auf die Reise nach Panama. Es enthält nichts Wertvolles, aber doch für uns wichtige Dinge, 10m Dichtungsgummi für die Deckel der Backskisten, zwei große feste Lederstücke zum Umwickeln der Polgelenke und das Ersatzbirnchen für unser Blitzlicht im Masttop. Entsprechend den Empfehlungen im World ARC Handbuch wird es mit DHL verschickt, die seien zuverlässiger als UPS oder FedEx. Im Internet verfolgen wir die Reise unseres Pakets über die Tracking Nummer. Am 20. Januar lesen wir, dass es in Colon angekommen sei und zwei erfolglose Auslieferungsversuche unternommen worden seien. Am 25. Januar erreichen wir die Shelter Bay Marina von Colon, weder ist das Paket dort noch weiß man etwas davon. Wir bitten die Yellow Shirts um Mithilfe bei der Suche nach dem Verbleib des Pakets. Auch die Marina wird eingeschaltet. Die deutsche Tracking Nummer zeigt unverändert zwei erfolglose Zustellversuche, unter der internationalen Sendungsverfolgungsnummer existiert das Teil gar nicht. Am Freitag, 27.2., wollen wir mit der DHL Service-Hotline in Deutschland telefonieren. Durch die sechs Stunden Zeitverschiebung sind wir zu spät, sie haben um 16°° schon geschlossen und sind erst montags wieder zu erreichen!
Montagmorgen versucht Pamina von zuhause aus ihr Glück, erfolglos. Uns läuft die Zeit davon, wir starten montags zur Kanalpassage. Endlich gelingt es Armin die Marinaangestellten aufzurütteln. Nach einigen Telefonaten steht fest, unser Paket liegt seit dem 20.1. auf dem Postamt in Colon. Ein Zustellversuch erfolge nicht, DHL stellt in Panama nicht zu, aber die Marina hätte eine schriftliche Benachrichtigung erhalten. Die ist aber unauffindbar. Armin unterschreibt bei John, dem Manager, ein Formular, dass einer der Angestellten, er wird leider namentlich darin festgelegt, autorisiert ist, das Paket in Colon abzuholen. Es soll dann von SHAMAL oder NORTH, die beide erst mit der zweiten Gruppe am Mittwoch den Kanal passieren, mitgenommen werden. So der Plan!
Gestern, Donnerstag, kommt Cecilia mittags zu uns an Bord, es gibt Probleme mit dem Paket! Der Mann, der es hätte abholen sollen, ist krank und ein anderer kann es ja nicht holen. Und nein, man kann kein Fax schicken, die Post hat kein Faxgerät, und überhaupt ist ja auch niemand mehr von uns in der Shelter Bay! Wieso hat der Typ es nicht am Montag gleich geholt, da war er nämlich noch putzmunter! Cecilia telefoniert mit Daniel auf dem Postamt in Colon, Daniel ist der einzige dort, der Englisch spricht: ja er hat das Paket vor sich liegen, ja er wird morgen früh ab 0800 da sein und Mr. Binder muss seinen Pass mitbringen und er muss 0.21$ pro Tag Aufbewahrungsgebühr zahlen!

So kommt es, dass wir gestern Mario, unseren milchkaffebraunen panamesischen Taxifahrer italienischer Abstammung, anrufen und uns mit ihm anstatt wie vereinbart für die Stadtrundfahrt um 0900 schon um 0700 für eine Tour nach Colon verabreden. Also fahren wir heute die ganze Strecke, die wir in zwei Tagen mit dem Schiff zurückgelegt haben, in 50 Minuten mit dem Auto. Eine vierspurige mautpflichtige Autobahn von Panama City nach Colon durchschneidet die bergige Urwaldlandschaft .Während sich der Panamakanal dadurch, dass er über eine weite Strecke durch den Gatun See verläuft, noch irgendwie in das Landschaftsbild einfügt, muss die Autobahn von oben betrachtet wie eine lange Wunde im Urwald wirken. Zu beiden Seiten ist ein Streifen Land gerodet, dahinter beginnt die Wildnis. Mannshohe Farne, scharfes hoch wachsendes Gras, Palmen, wilde Bananen, hohe Bäume mit meist großen dicken Blättern, Schlingpflanzen, ohne Machete ist da kein Durchkommen. Erst kurz vor Colon sehen wir kleine Hütten mit Gärten drum herum. Dann erreichen wir die Stadt. Mario verriegelt die Autotüren von innen und bedeutet Armin die Kamera unten zu lassen. Das Postamt liegt im Zentrum der Stadt. Die Strassen sind schmutzig, die meisten Häuser abbruchreif und die Stadt hat den traurigen Ruf, die höchste Kriminalitätsrate der Welt zu haben. Wir gehen mal davon aus, dass die „bösen Buben“ um diese Tageszeit noch nicht auf den Strassen sind. Trotzdem bleibt ein sehr mulmiges Gefühl, wir scheinen die einzigen Weißen hier zu sein. Mario fragt sich durch zum Postamt, fragt aber immer nur die zahlreich am Straßenrand stehenden Polizisten. Es liegt wirklich im übelsten Viertel in einer kleinen Gasse. Mario begleitet uns, schaut, dass uns keiner zu nahe kommt. Dann beginnt ein neues Theater!
Das Postamt muss mindestens 50 Jahre oder älter sein. Hunderte von kleinen Postfächern mit schnörkelig verzierten Türchen sind in der Mitte des Raumes, an den Wänden befinden sich kleine vergitterte Schalterkabinen. Nach mehrmaligem Rufen erscheint Daniel hinter einem Gitter. Umständlich erklärt es, dass die ersten zehn Tage Aufbewahrung kostenlos sind und wir somit für fünf Tage 1.05$ zu zahlen haben. Also reihen wir uns in die Warteschlange an der Kasse ein. Die Kassiererin ist mit 1.05$ nicht einverstanden, will 1.25$, diskutiert mit Daniel, am Ende bleibt es doch bei seiner Berechnung. Sie behält die Rechnung, wir gehen wieder rüber zu Daniel, er will aber die Quittung, sie will sie nicht rausgeben! Es dauert, bis er doch die Papiere von ihr bekommt. Dann muss Armin mehrere Formulare mit Passnummer und Unterschrift versehen. Inzwischen liegt das Paket zum Greifen nahe am Schalter, leider hinter Gittern! Erst muss der Mann vom Zoll noch seinen Segen dazu geben. Öffnungszeit des Zollschalters ab 0800, es wird 0845 bis der Mann endlich kommt. Weitere Papiere müssen ausgefüllt werden. Obwohl bei „Yacht in Transit“ der Werte und die Ware völlig egal sind, und der Inhalt außerdem außen auf dem Paket drauf steht, öffnet der Zollbeamte das Paket und schaut alles genau nach. Endlich ist er zufrieden, notiert umständlich alle Angaben in einer dicken Kladde und dann schiebt er uns die Kiste durch das Gitter. Nichts wie weg von hier. Mario schaut währenddessen immer wieder vor die Türe, um nach seinem Taxi zu sehen, dass um die Ecke geparkt ist, da die Strasse vom Postamt nicht befahrbar ist. Rein ins Auto Türen verriegelt und raus aus dieser Stadt, die dem Verfall preisgegeben ist. Die Regierung hat vor längerer Zeit der Stadt alle Unterstützung gestrichen und von Renovierung Abstand genommen. Jetzt helfen nur noch Abbruchbirne und Planierraupen. Leider konnten wir den Grund für den Verfall nicht in Erfahrung bringen. Dieser unfreiwillige Ausflug ins Zentrum von Colon war jedenfalls der gefährlichste Teil der bisherigen Reise.

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