Überfahrt nach Grenada

Donnerstag, 1., bis Samstag, 10. März 2018

Anfangs wollen Wellen und Wind wieder nicht zusammen passen und einen Tag muss Mr. Yanmar arbeiten. Das ständige heftige Schaukeln lässt die Segel knallen, alles bewegt sich ohne Pause, das ist materialmordend! Wir haben noch einige Tausend Meilen vor uns bis nach Hause, wir schonen Schiff und uns und ertragen lieber das Motorengebrumm, als das Risiko von gerissenen Segeln einzugehen.

Ab Freitagnacht können wir dann segeln und es beginnt die schönste und schnellste Überfahrt der ganzen Tour. Unter weißen Segeln läuft ASHIA auf BB-Bug dahin. Die Genua ist gerefft. Der Wind bläst gleichbleibend mit 18 bis 22 kn von schräg hinten, lediglich in den ersten Nächten zwingen uns ein paar Squalls mit teils heftigem Regen zum weiteren Reffen. Jetzt passen Windstärke, -richtung und Wellenhöhe zusammen, ASHIA zieht unerschütterlich unter Autopilot ihre Spur geradeaus zum Ziel. Hier kann sie zeigen, dass sie kein „kleines dickes Dampferle“ ist, sondern ein stabiles und komfortables Langfahrtschiff! Wir haben über Tage eine Strömung von bis zu 3kn mit uns und schaffen Etmale von 205, 230, 215 und 200 SM! Das ist absoluter Rekord für uns! Normalerweise kalkulieren wir mit 150 SM in 24 Stunden!

Am Sonntagabend entdecke ich, dass das Geschirrfach wieder voll unter Wasser steht! Armins Ableitungssystem des Lecks über Trichter und Schlauch in eine Flasche im Schrank hat so gut funktioniert die ganze Zeit, dass wir dieses Problem schlichtweg vergessen haben. Jetzt durch den vielen Regen ist die Flasche vollgelaufen und dann natürlich in den Schrank übergelaufen! Zum Glück ist es nur Regenwasser und nach zwei Tagen ist der Schrank wieder trocken. Jetzt steht die Flasche nicht mehr hinten in der Ecke sondern gut sichtbar gleich neben der Schranktüre!

Mittwochnacht sieht Armin im Dunklen eine große Cucaracha über den Boden der Pantry laufen. Bevor er sie erwischen kann, rettet sie sich durch eine Ritze im Boden in den Bereich unter den Bodenbrettern. Wir sind erschüttert! Monatelang haben wir es geschafft, frei von diesen Plagegeistern zu bleiben, und jetzt müssen wir uns das auch noch in Brasilien einfangen! Sofort sprühen wir alle Bilgenfächer, Ritzen und Spalten mit dem „hochgiftigen Vernichtungsspray für Krabbel- und Flugtiere“ aus. Allerdings kommen wir nach genauerem Studium der Gebrauchsanleitung zu der Überzeugung, dass die einzig wirksame Methode diese 4cm große Schabe zu töten, wohl nur ein gezielter Treffer mit der Dose ist! So verteilen wir zusätzlich noch großzügig Borsäure-Paste in allen Fächern.

Während wir tagsüber kaum andere Schiffe sehen, und wenn, dann fahren sie in großer Entfernung an uns vorbei, kommt es nachts immer wieder zu Schiffsbegegnungen, die einfach zu nah ablaufen. Wir funken dann den jeweiligen Frachter oder Tanker an, fragen ob er uns auf seinem AIS oder Radar sieht und bitten ihn, uns in ausreichendem Abstand, in der Regel 1 SM, zu passieren. Das funktioniert eigentlich immer problemlos. Lediglich wenn es sich beim „Gegner“ um einen chinesischen Fischtrawler handelt, der möglicherweise auch noch illegal fischt, wird es schwierig. Das Englisch der Chinesen ist ungefähr so gut wie unser Chinesisch! Aber am Ende geht es immer irgendwie.

In der Nacht, in der wir gerade die Cucaracha entdecken, taucht plötzlich genau vor uns in geringer Entfernung das Toplicht eines Segelbootes auf. Wir weichen aus, fahren vorbei, der andere bewegt sich sehr langsam mit der Strömung voran. Wir funken ihn an, fragen ob alles okay ist? Der Erste, der antwortet spricht nur französisch, der Zweite dann englisch. Sie seien auf einer „scientific mission“, über deren Inhalt sie uns keine Auskunft geben werden! Ups, ach so, wir sind ja auf der Höhe von Kourou, Französisch Guayana, wo in einer der nächsten Nächte der Start der Ariane 5 erfolgen soll.

Wir haben nette Erlebnisse mit Tieren. Immer wieder begleiten uns am Tag Delphine. Diesmal sind es relativ große Tiere und sie sind sehr springfreudig. Ihnen zuzusehen ist immer wieder ein Highlight. Nachts haben wir regelmäßig blinde Passagiere an Bord. Ein oder zwei der schwarzen Tölpel nächtigen auf dem Achterdeck, lassen sich mitnehmen und zeigen keine Scheu vor uns. Im Morgengrauen verschwinden sie stets wieder und ich darf dann ihre Hinterlassenschaften vom Außenborder, den Fendern oder vom Deck wischen.

TOUJOURS BELLE segelt einige SM hinter uns, wir kommunizieren dreimal täglich über KW. Thomas erzählt, dass er in einer Nacht einen Schlag gegen den Kopf bekommen hat, so dass er schon dachte, der Geräteträger hinter ihm, auf dem die Solarpaneele liegen und unter dem das Dingi hängt, würde einstürzen. Aber nein, es war ein großer Fliegender Fisch, der gegen seinen Kopf prallte! Der Fisch fand den Weg zurück ins Meer und Thomas musste erst mal Fischschuppen und Geruch von seinem Kopf waschen!

Die letzten 100 SM von der Nordspitze Tobagos zur Südspitze von Grenada werden noch mal ungemütlich. Wir segeln durch einen Whirlpool an konfusen Wellen. Die windbedingte Welle kommt von schräg hinten rechts, dagegen steht aber eine wohl strömungsbedingte zweite Welle, die ASHIA wieder heftig schaukeln und tanzen lässt. Am Tag passiert uns die MAERSK TIGER. Der Frachter funkt uns an und fragt, ob alles okay sei? Wahrscheinlich hat ihn unser wildes Geschaukel beunruhigt. In den letzten zwei Nächten wimmelt es von Fischerbooten um uns herum. Sie haben kein AIS, sind so klein, dass sie auch auf dem Radar nicht zu erkennen sind und schalten ihre Lichter oft erst ein, wenn man näher kommt. Das erfordert erhöhte Aufmerksamkeit und ergibt einige Schlenker in der Kurslinie!

Am Samstagmorgen um 0730 erreichen wir nach 8 Tagen und 17,5 Stunden die Port Luis Marina von Georgetown auf Grenada. Das waren wirklich die schnellsten 1700SM der ganzen Tour. Zwei Marineros helfen beim Anlegen, einer am Steg, der andere nimmt vom Schlauchboot aus die Bugleinen an und befestigt sie an den Mooringbojen. Nach 14 Monaten sind wir wieder in der Karibik!

Ein Kommentar

  1. Zu euren „netten Erlebnissen mit Tieren“: Da bekommt der Song „La Cucaracha …“ gleich eine ungemütliche Bedeutung!
    Dazu Tölpel auf dem Achterdeck und fliegende Fische: Brehms Tierleben?
    Und unsichtbare Chinesen. Und inmitten einer scientific Mission. Das ganze mit nahezu Schallgeschwindigkeit. Klingt gruselig. Ach ja, und dann noch der Einsatz eures onboard- Chemielabors bei der Schädlingsbekämpfung …

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