Dienstag, 13. Juni 2017
Der Tag beginnt stressig. Wir müssen von Lomaloma aus um die Nordspitze von Vanua Balavu herum zu dem Dorf Daliconi fahren, wo heute Abend ein Sevusevu für uns veranstaltet wird. Der Weg dahin ist voller Untiefen und Korallenriffe. Die Route, die wir von World ARC bekommen haben, enthält zwar jede Menge Wegepunkte, aber es steht mal gleich dabei, dass alle Angaben ohne Gewähr sind. Das merken wir schnell beim Übertragen der Koordinaten in unser Navigationsprogramm. Von leicht daneben bis völlig falsch ist alles dabei. Auch die Karten der verschiedenen Programme sind nicht unbedingt deckungsgleich. Die Untiefe der einen Karte ist auf der nächsten nicht eingezeichnet, dafür hat die einen Stein, der nur bei ihr zu finden ist, und gelegentlich führt der Kurs auch über Land. Es dauert, bis durch Abgleichen der Karten und Google Earth der Kurs richtig abgesteckt ist. Um 0915 machen wir uns auf den 25 NM langen Weg, ASHIA vorne weg, AURORA POLARIS und SHAMAL hinterher. Armin hat die Open CPN-Karte vor sich am PC und daneben Navionics auf dem Tablet. Nicole steht zeitweise vorne im Bug und schaut nach Farbänderungen im Wasser aus. So motoren wir im ZickZackKurs um Vanua Balavu. Nach zwei Stunden wird es leichter, aus einer tiefen geschützten Bucht kommen vor uns nacheinander acht Schiffe der Flotte raus. Sie haben dort übernachtet und sind jetzt mit gleichem Ziel unterwegs. Wir folgen ihrem Track, wo sie durchkommen, muss es für uns auch reichen. Die Insel ist wieder völlig anders, als alle vorherigen. Vom tief unterspülten felsigen Ufer, das nur gelegentlich von hellem Sandstrand unterbrochen wird, ziehen sich Hügel hinauf. Teilweise sind sie mit Regenwald bewachsen, teilweise aber auch fast völlig kahl mit grün-brauner, von der Sonne verdörrter Oberfläche. Ob es sich hierbei um Kahlschlag durch Abholzung handelt oder um Schäden vom Wirbelsturm, wissen wir nicht. Die Inseln sind nicht sehr hoch, wenig schroff, die Landschaft erinnert an die Schären der Ostsee. Gegen 1500 fallen dann die Anker vor dem Strand des Dorfes Daliconi.
Für 1700 hat Eli, unsere Agentin, für uns das Sevusevu arrangiert. Wir fahren mit dem Dingi zum Strand, diesmal gelingt das Aussteigen ohne nasse Hosen, dafür regnet es! Die kleinen Häuser des Dorfes sind im Halbkreis um einen großen Dorfplatz gebaut. Dort hat man in der Mitte aus Bambusstangen und Wellblech eine „Halle“ errichtet. Der Pfarrer des Dorfes eröffnet die Feier mit einer kurzen Ansprache und einem Gebet, eine der Damen übersetzt ins Englische. Dann nehmen die Dorfältesten im Schneidersitz auf einer großen Bastmatte am Boden Platz. Stefano und Cecilia, unsere beiden Yellow Shirts, setzen sich ebenfall und nach einer Rede des Dorfältesten überreicht Stefano die in Zeitung gewickelte Kavawurzel. Der Chief redet nochmals, das Geschenk wird akzeptiert und die Flotte damit in die Dorfgemeinschaft aufgenommen. Es folgen einige Tanz- und Gesangsdarbietungen. Als erste treten die Oldies auf, eine Gruppe Frauen zwischen 60 und 90 Jahren. Dass eine von ihnen an Demenz leidet, wird ganz selbstverständlich angesagt, daher seien ihre Bewegungen nicht immer so passend zur Musik. Die Frauen zeigen einen „Meke“. Bei diesem traditionellen Tanz sitzen sie im Schneidersitz auf dem Boden. Zu einem mehrstimmig gesungenen Lied werden mit dem Oberkörper und Armen und Händen Tanzbewegungen ausgeführt. Es geht um Liebe, das Meer und Abschied. Eine Gruppe Schulkinder tritt auf und eine wohlgerundete junge Frau, die hüftschwingend einen Tanz aus Samoa vorführt. Später stellt sich im Gespräch heraus, dass sie nicht, wie angesagt, selbst aus Samoa kommt und hier im Dorf verheiratet ist, sondern ebenfalls von der Insel stammt.
An zwei langen Tischen ist das Buffet aufgebaut. Es gibt Kartoffel- und Gurkensalat, einen Salat aus rohem Fisch, weiterhin Lobster und Krabben, Schweinefleisch und Hühnchen. Alles ist von den Frauen frisch zubereitet aus eigenem Anbau bzw von den Männern heute gefangen. Unsere Männer dürfen anschließend auch auf der Bastmatte Platz nehmen und Kava trinken. Eine kleine Band tritt auf. Mit Ukulele und Gitarre spielen und singen sie Gospels und einheimische Melodien. Es ist schon eigenartig, Südseeklänge von der E-Gitarre zu hören. Auch passen Lautsprecher und Verstärker irgendwie nicht so recht zu unseren Vorstellungen von Fidschi.
Wir unterhalten uns mit den Frauen des Dorfes. Um die 30 Familien leben hier. Alle Generationen sind zusammen. Altenheime gibt es nicht. Die Frauen haben 4-5 Kinder, die Buben müssen z.B. regelmäßig das Gras auf dem großen Dorfplatz mähen, die Mädchen helfen im Haushalt. Fast jede Familie hat einen Verwandten in Übersee, Australien, Neuseeland, USA und sogar Europa.
Die World ARC Familie hat eine Spendenaktion für die Schule des Dorfes organisiert. Jeder legt sein Päckchen auf die Bastmatte. Blöcke, Hefte, Stifte, Knete, Regenschirme, alles wird benötigt. Wir haben eine Auswahl von Lesebrillen verschiedener Stärke mitgebracht. Nicole spricht mit dem jungen Lehrer, es gibt sicher Kinder, die eine Sehhilfe benötigen. Der grauhaarige Schuldirektor hört interessiert zu und als Nicole meint, die Brillen seien auch für Ältere geeignet, wenn die Arme zu kurz zum Lesen werden, da lacht er. Die erste Brille wird sicher auf seiner Nase sitzen!
Insgesamt ist es ein sehr harmonischer Abend, bei dem sich völlig unterschiedliche Kulturen ungezwungen und freundschaftlich nahe kommen. Die Fidschianer demonstrieren uns hier ihre Lebenseinstellung, das „Loloma“, das „sich Kümmern und Verantwortlich fühlen“ für den anderen, das auf jeden Gast angewendet wird.