Montag, 15. Januar 2018
Um 0700 sitzen wir schon beim Frühstück im Garden Cafe. Die Wirtin freut sich, sind wir doch schon zum dritten Mal da! Aber die selbstgebackenen Torten und besonders die frischen Brötchen, die der namibische Bäcker gerade aus dem Ofen holt, schmecken einfach herrlich. Um 0800 stößt Marion, eine Deutsch-Namibierin, geboren in Lüderitz, zu uns. Sie ist heute unsere Führerin. In ihrem VW-Bus geht es zunächst nach Kolmannskuppe, der vergessenen Stadt am Rande der Wüste Namib, 10 km von Lüderitz entfernt.
Diese Stadt war einst das Zentrum der Diamantenindustrie in Deutsch-Südwestafrika. Als aber 1928 auf dem Meeresboden im Mündungsgebiet des Oranje-Flusses wesentlich größere und qualitativ bessere Diamanten entdeckt wurden, verlegte man die Industrieanlagen und die Arbeiter in den neu entstandenen Ort Oranjeburg. 1938 wurde Kolmannskuppe endgültig aufgegeben und die Gebäude dem Wüstenwind und dem Sand überlassen. Inzwischen hat man einige Häuser renoviert, es gibt einen kleinen Laden und ein Kaffee und es werden Führungen durch die Geisterstadt angeboten. Uns führt William durch die „vergessene Stadt“. Zwar sind die Fenster und Türen der Gebäude fast alle kaputt oder ausgehängt und der Sand findet überall Zugang, aber die Bauten selbst bleiben in der Trockenheit gut erhalten. Wir sind beeindruckt welche Technologie und welcher Luxus hier vor 100 Jahren schon vorhanden waren. Familien hatten ihre eigenen Häuser, die Junggesellen wohnten in einer Gemeinschaftsunterkunft. Jedes Haus hatte Elektrizität und Telefon. In der Eisfabrik wurde so viel Stangeneis hergestellt, dass jeder Haushalt täglich mit einer halben Stange versorgt werden konnte. Die kleinen Eisschränke sind teilweise noch erhalten. Es gab eine Schlachterei, eine Metzgerei, einen Krämerladen und eine Bäckerei. Mit einer kleinen „Straßenbahn“ wurden allmorgendlich ein halber Eisblock und 20 l Trinkwasser frei Haus geliefert. Das Trinkwasser kam mit Schiffen von Kapstadt und wurde dann in Rollfässern von Lüderitz aus nach Kolmannskuppe gebracht. Es gab ein großes Gemeinschaftshaus mit Kegelbahn, Theater, Turnhalle und einer Großküche, in der täglich 380 Essen gekocht wurden. Auf dem Hügel befand sich ein Meerwasserschwimmbad! Für die ca 40 Kinder gab es eine Schule und das eigene Krankenhaus konnte über 200 Patienten aufnehmen. Das Krankenhaus hatte einen eigenen Weinkeller, weil einer der beiden Ärzte der Meinung war, dass jeder Patient täglich ein Glas Wein trinken müsse!
Wir besichtigen das „Schmuggelzimmer“. Hier wird anschaulich dargestellt, auf welch abenteuerlichen Wegen die Arbeiter versuchten Diamanten für sich zu behalten. In der Spitze von Arbeitsschuhen, in Messergriffen, im Innenleben von Radios oder Uhren, die Phantasie war grenzenlos. Doch die Sicherheitsdienste fanden wohl das Meiste. Man versuchte sogar die Diamanten mit einer Armbrust oder durch Brieftauben vom Gelände zu schmuggeln. Bis heute ist der Besitz von Brieftauben im und um das Sperrgebiet verboten! Das Schlucken der Diamanten wurde durch Einführen eines Röntgenapparates sinnlos. Die schwarzen Arbeiter, die in eigenen Unterkünften mit eigenem Krankenhaus lebten, erhielten immer nur Verträge über zwei Jahre. Eine Woche vor Ende des Arbeitsvertrages mussten sie auf die Quarantänestation und bekamen Rizinusöl verabreicht! Die Aborte waren mit Sieben abgedeckt! Wir sind fasziniert von diesem Zeugnis alter deutscher Kulturgeschichte und fragen uns wieder warum World ARC hier nicht Station macht!
Danke für die interessanten Informationen.
Das Krankenhaus mit eigenem Weinkeller ist ne super Idee 🤗🤣
Richtig spannend und hochinteressant! So etwas ignoriert die World ARC …
Super Bericht, Danke