Von Madeira nach Gibraltar oder auch nicht!

Samstag, 14. Mai, bis Mittwoch, 18. Mai. 2022
Am Samstagmorgen helfen Danni und Andi uns zunächst beim Ablegen vom Liegeplatz und dann an der Tankstelle. Wieder gibt es eine letzte Umarmung, mal sehen, wo und wann wir uns das nächste Mal treffen. Um 1000 laufen wir aus der Marina aus.Bis wir am Nachmittag frei von den Inseln sind, bläst es mit 20kn, und wir kommen unter weißen Segeln gut voran.Später flaut es ab, wir schieben ein bisschen mit dem Motor. Die Erfahrung der letzten Zeit hat gezeigt, dass Wetterfenster sich oft früher schließen als vorhergesagt. So wollen wir auch diesmal keine Zeit verschenken. (Wie Du immer schreibst, Nathalie: Go, ASHIA, Go!)
Nachts haben wir zwei nicht identifizierbare weiße Lichter vor uns. Ohne AIS, nur mit Radar, ist nicht klar, ob eszwei separate Boote sind oderein Zugverband. Neben uns fährtdie 57m lange Segelyacht Q mit 10,7kn. Wir funken sie an. Sie sind näher an dem USO. Der Skipper bestätigt, dass es sich um Fischerboote handelt, zumal von seiner Position aus noch zwei weitere Objekte zu sehen sind. Außerdem weist er uns auf die totale Mondfinsternis in der kommenden Nacht hin.
Der Sonntag vergeht mit Motorsegeln. Der Wind ist zu schwach, um unser „kleines dickes Dampferle“ wirklich voran zu bringen. Aber die Wellen schaukeln uns hin und her.
In den frühen Morgenstunden zum Montag erleben wir dann eine totale Mondfinsternis. Ab 0330 wandert der Mond immer weiter in den Erdschatten, bis er nach fast einer Stunde vollkommen verdeckt ist. Dafür sieht man jetzt einen gigantischen Sternenhimmel. Leider lässt sich dieses Spektakel auf einem schaukelnden Boot nur sehr schlecht fotografieren.
Am Montag herrscht Flaute. Der Atlantik ist flach, lediglich eine lang gezogene Dünung kommt von hinten und hebt ASHIA an, beschleunigt sie, während sie darunter durchläuft und lässt sie sanft auf der Rückseite runter. Die Sonne lacht vom wolkenlosen Himmel und es ist so warm, dass wir erstmals auf dem Vordeck ein kurzes Sonnenbad nehmen. Zwei Meeresschildkröten treiben an uns vorbei. Wir sind allein auf der Welt, die große blaue Zweisamkeit! Wir empfangen keine AIS-Signale, sehen keine Boote und im Funk ist auch nichts los. Herrlich!
Nach einer weiteren Vollmondnacht hören wir am Dienstag gegen 1130 im Funk von einer Segelyacht, die gerade von drei Orcas angegriffen wird. MRCC Tarifa rät ihnen daraufhin nur, sich ruhig zu verhalten, Segel bergen, Motor abschalten, alle Instrumente, besonders das Echolot, auszustellen, nur Funk und AIS sollen anbleiben. Dann würden die Orcas nach kurzer Zeit das Interesse am Boot verlieren und zu einem anderen Schiff schwimmen. Sollte der Schaden am Ruder oder Rumpf groß sein, würde man zu Hilfe kommen! Das ist unglaublich! Im Laufe des Tages hören wir noch von zwei weiteren Segelbooten, dass sie von den Killerwalen angegriffen werden. Die Attacken finden heute alle im Gebiet zwischen Tarifa und Barbate statt.
Man muss wissen, dass es seit ca. zwei Jahren im Bereich von Gibraltar und der Küste von Spanien und Portugal bis hoch zum Cap Finisterre immer wieder zu Angriffen von Orcas auf Segelboote kommt. Man vermutet zwei oder drei Walfamilien, die aus unbekannten Gründen indie Ruder der Segelboote beißen, bis diese oft total zerstört sind, und auch heftige Stöße gegen die Rümpfe ausführen. Bisher sind keine Personen dabei verletzt worden, aber die Schäden an den Booten sind immens. Es ist völlig unverständlich, wieso es bisher keinerlei Statistiken über die Lokalisation, die Häufigkeit und Tageszeit der Angriffe und die Charakteristikder betroffenen Boote gibt. Es gibt keine Untersuchungen über die Gründe für dieses Verhalten und auch keinerlei sinnvolle Abwehrmaßnahmen. Im Gegenteil! Die Spanier empfehlen lediglich, sich im Falle eines Angriffs „tot“ zu stellen und zu warten, bis die Tiere das Interesse verlieren. Sie haben sogar bei Strafe verboten, sich zu wehren! Alles was Recht ist, Orcas sind tolle Tiere und wir hatten auf der Weltumseglung beeindruckende Begegnungen mit Walen, sogar unmittelbar neben unserem Schiff. Aber wenn sie mich bedrohen, dann muss ich was dagegen unternehmen. Es hat sich wohl bewährt rückwärts zu motoren. Die Wale greifen immer von hinten an und beißen ins Ruder. Bei Rückwärtsfahrt ist das Ruder dann aber vorne. Auch das Mitführen, bzw. Hinterherziehen eines Pingers wird diskutiert. Diese kleinen Spindeln senden Töne (Pings) aus, die den Tieren unangenehm sind und sie fernhalten sollen. Entwickelt wurden sie z.B. für die Fischerei, um den Beifang von Delfinen u.a. zu verhindern oder um sie aus für sie gefährlichen Gebieten, z.B. bei Unterwassersprengungen fern zu halten.
Wir haben so einen Pinger an Bord.Unsere Route nach Gibraltar ist so gelegt, dass wir auf der Seite der marokkanischen Küsteentlang fahren. Mit Sonnenuntergang, auf Höhe des Cabo Espartel, lässt Armin den Pinger an 10m Leine hinter uns ins Wasser. Mit Wasserkontakt fängt er an, seine für uns nicht hörbaren Pings auszusenden. Hoffen wir, dass es funktioniert.
Eigentlich ist das heute ein herrlicher Segeltag. Unter weißen Segeln läuft ASHIA mit 6-8 kn dahin, die Schiffsbewegungen sind mäßig. Doch wir sind beide angespannt. Keiner will zum Schlafen in die Koje. Wir dösen abwechselnd auf der Cockpitbank und sind froh, dass der noch immer runde Mond sein Licht aufs Wasser wirft. Im Funk ist der Teufel los. Es ist normal, dass im Verkehrstrennungsgebiet und in der Enge von Gibraltar die Berufschifffahrt sich ständig über Funk austauscht, wer wen auf welcher Seite überholt oder quert. Dann hören wir einen Frachterkapitän, der einem anderen versucht klarzumachen, dass er nicht weiter Richtung Land (Marokko) ausweichen kann, weil da „many many fishing vessels“ wären. Außerdem ruft permanent jemand fast panisch irgendwelche Boote und versucht sie zu Kursänderung zu bringen. Gegen Mitternacht wissen wir dann auch was los ist. Plötzlich taucht vor uns ein weißes Blitzlicht auf, das uns fast blendet, links davon ist schwach eine lange Reihe von kleinen roten und grünen Lichtern auf dem Wasser zu erkennen. Und der Mann im Funk schreit ohne Pause: „ go nord,after nord, please captain, after nord!“ Er wiederholt sich immer wieder. Wir wissen zwar nicht, ob er uns meint, aber wir drehen nach BB ab, holen die Segel ein und motoren an der Lichterkette entlang. Jetzt tönt es zig mal aus der Funke „ yes captain, thank you captain!“Sind doch wir gemeint? Als die Lichterreihe endet, gehen wir wieder auf Kurs, nur um kurz darauf wieder vor dem gleichen Problem zu stehen. Um uns herum, soweit man sehen kann sind unzählige der kleinen weißen Lichter. Die dazu gehörenden rot-grünen Ketten sind so niedrig auf dem Wasser, dass man sie durch die Welle erst sehr spät erkennt. Wir weichen einer Fangleine nach der anderen aus. Wir kommen immer weiter vom Kurs ab. Und der Typ im Funk schreit permanent, mal wohl wegen uns und mal wegen anderer Boote. Nie nennt er Namen oder Position, so dass man nicht weiß, wer gemeint ist. Er blockiert Kanal 16 komplett. Da reicht es mir! Jetzt funke ich! „ Can you please stopp! Instead of saying a 100 times the same you should say which boat you mean and a position. We are a small sailing boat on our way to Gibraltar and we are in the middle of your fishing boats and would like to find a way out!“ Oh bin ich sauer! Armin meint, jetzt kommt der Frauenstimmenbonus zum Einsatz! Kurz ist Stille, dann sagt die Stimme, deutlich ruhiger: „yes, is good, capitana!“ Komisch, von da an läuft es besser. Wenn wir uns einem der kleinen Fischerboote nähern, wird die weiße Lichtfunzel zur hellen roten Laterne, wir werden mit dem Handstrahler angeblitzt, der Fischer fährt neben uns her an der Kette entlang bis zum Ende, und das kann locker eine Meile oder mehr sein, dann blinzelt er, und wir können wieder auf Kurs gehen bis zum nächsten Hindernis. So geht es durch die Nacht.
Inzwischen haben wir auch noch ein Zeitproblem. Die für Donnerstag angesagte Winddrehung ist bereits erfolgt und es bläst zunehmend von vorne, aus der Meerenge von Gibraltar raus. Zum Sonnenaufgang um 0600 löst sich zwar das Problem mit den marokkanischen Fischern, aber wir stampfen gegen 20knund mehr Wind an. Bis Gibraltar wären es noch 60SM. Das muss nicht sein. Wir werden stattdessen nach Tanger gehen. Die letzten 20SM bis dahin kämpft ASHIA gegen Wind und Welle. Teils kriechen wir mit 2-3kn dahin, dann wieder nimmt uns die Strömung mit und wir schaffen 4-5kn.
In der Bucht von Tanger wird es besser und als wir um 0830 am Empfangskai der Tanja Marina Bay von Tanger festmachen, haucht es noch mit gerade mal 5kn. Na gut, aber draußen sieht es anders aus. Wir haben die gelbe Q-Flagge (Einklarierungsflagge) gesetzt. Das Einklarieren geht mit absoluter Freundlichkeit vor sich, allerdings sehr umständlich und uneffektiv. Am Ende kommt der Zoll an Bord. Kurze Frage, ob wir etwas zu deklarieren oder zu verzollen hätten, ein Blick hinter drei Schranktüren, dank, das war`s.Enjoy Marokko! Wir tauschen die Gelbe gegen die Gastlandflagge von Marokko und um 1200 fahren wir an unseren Liegeplatz. Natürlich bläst es inzwischen mit 15kn auch hier im Hafen. Doch Armin steuert ASHIA gekonnt zwischen Fingersteg und ein Motorboot, was ihm ein Lob vom Marinero einbringt.
Dusche für Boot und Crew, ein leckeres Mittagessen (Frühstück war ausgefallen) in einem der vielenRestaurants im Hafen und dann ist Zeit für Mittagsschlaf.
Wir sind eigentlich froh, dass wir nach Tanger rein sind. Gibraltar und La Linea kennen wir jetzt wirklich, das hier ist Neuland. Unmittelbar an die Marina grenzt ein großer Sandstrand, die Stadt sieht weiß und sauber aus. Wir werden sie erkunden. Das Wenige, was wir bisher gesehen haben, reicht schon aus, um uns über einen etwas längeren Aufenthalt hier nachdenken zu lassen. Die Liegegebühr ist 18€ pro Tag, und wann kommt man schon mal nach Marokko!














2 Kommentare

  1. Super Beschreibung, super Bilder wie immer.
    Gratulation, das habt Ihr wieder 1x toll gemeistert 🥳.

    Tanger, das Tor zum Königreich Marokko… „Go Ashia Crew Go“ 😉👍

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